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Spuren

Nelly, wie eigentlich Kanella heißt, kenne ich privat einige Jahre schon, sie, ihren Mann und ihre entzückende Tochter. Das eigentliche Kunstwerk von Nelly ist sie selbst. Machen Sie die Augen zu, schlagen Sie den Katalog in der Mitte auf und schauen Sie auf dieses Gesicht: wenn Sie diese Augen und dieses Lächeln erblicken, dann werden Sie mich verstehen.


Ich erkläre es: Dieses Gesicht ist extrem widersprüchlich: uns schaut in die Augen eine Frau oder ein Mädchen, ernst oder schelmisch, viel versprechend oder nur träumend, eine Malerin oder eine Fotografin, eine Griechisch-Lehrerin oder eine Französisch-Lehrerin, eine Frau, die in Berlin und Paris oder in einem Dörflein auf der Peloponnes zu Hause ist.


Diese Vielfalt, dies wäre doch das richtige Wort, sehe ich in ihrer Bildern, und zwar nicht nur in den Mischtechniken, die sie verwendet: In ihrer „Begegnungen“ etwa, oder in ihrer „Landschaften“ kann ich mich nicht entscheiden, ob ich Sehnsucht oder Angst bekomme, ob es um ein schnell gelaufenes Fragment eines Kinofilms geht oder ob ich eine mühsam erstellte Farbe und Formkomposition sehe. Bei Nelly Tragousti fungiert das Nicht-gegenständliche tatsächlich abstrakt und bewegt sich zwischen realen, sinnlichen Erfahrungen (nämlich dem Sehen, da Gegenstände oder gar Landschaften sich doch ab und zu erkennbar geben) und Gefühlen, hervorgerufen von einer minutiös geführten Farbkomposition. Und wieder kommt die Biografie des Künstlers ins Spiel: Kanella Tragousti, Paris: „Diplom über das Verhältnis zwischen Sprache und Bild. “Zwischen zwei grundverschiedenen Medien also, Nelly komponiert eine Diplomarbeit über das Gespräch zweier Gegensätze. „Eben“, muss ich sagen, worüber denn sonst, wenn nicht über koexistierende Widersprüche. Nelly stellt keine Metaphysik dar, Sie malt und fotografiert sich selbst.


Konstantinos Kosmas, Berlin April 2008







 

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